Stellungnahme der Hunde-Lobby zu den Empfehlungen des Gesundheitsausschusses zum neuen Hamburger Hundegesetz
Es hätte noch schlimmer kommen können, was der Gesundheitsausschuss am 9. Dezember 2005 beschlossen hat und worüber die Bürgerschaft Anfang 2006 zu beschließen haben wird. Ja, es hätte noch viel schlimmer kommen können. Aber einen Grund zum Jubeln gibt es für die rund 60.000 Hamburger Hunde und ihre Halter dennoch nicht. Schon gar nicht für die Halter der so genannten Kategorie-Hunde – für die bleibt nämlich alles beim Alten: Leinen- und Maulkorbzwang, willkürlich festgesetzte überhöhte Hundesteuer, Wesenstest! Ganz neu unter den Betroffenen: die Halter von Rottweilern (widerlegbar gefährlich) und Bullterriern (unwiderlegbar gefährlich). Entgegen allen Stellungnahmen von tatsächlich Sachverständigen hält Hamburg an den Listen fest. Dabei enthalten aktuelle Beißstatistiken quasi kaum noch beißende Listenhunde. Ein Blick nach Berlin hätte zu denken geben können. Dort nämlich wurde der Staffordshire-Bullterrier inzwischen wieder von der Liste genommen. „Mehr ist derzeit nicht drin“, ist statt dessen aus dem Rathaus zu hören, denn man will erst eigene Statistiken zur Gefährlichkeit der vermeintlich gefährlichen Hunde abwarten. Dafür nimmt man sich drei Jahre Zeit. Drei Jahre, in denen die betroffenen Hunde ihr Leben an der kurzen Leine und mit einem Maulkorb fristen dürfen.
Für alle anderen Hunde gilt ab 1. April 2006 die generelle Leinenpflicht, die in der Nähe von Schulen, Spielplätzen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sogar auf die „kurze Leine“ weiter präzisiert wurde. Am so genannten Hunde-Führerschein wurde dann aber doch noch ein wenig herumgebastelt. Den Hundehaltern wird tatsächlich soweit entgegen gekommen, dass der Führerschein sofort nach erfolgreich bestandener Prüfung gültig wird. Die Prüfer – welche Institutionen, Hundeschulen oder Vereine auch immer dazu berechtigt sein werden – sollen dem verantwortungsbewussten Hundehalter den Weg zur Behörde – welche auch immer das sein wird – abnehmen und die bestandene Prüfung direkt an das Zentralregister melden.
Mit dem Führerschein in der Tasche (den Personalausweis bitte nicht vergessen, denn beides muss man jederzeit vorlegen können, andernfalls droht ein Bußgeld) darf sich der geprüfte Hundehalter zusammen mit seinem geprüften Hund dann wieder – wie vor Inkrafttreten des Gesetzes – nahezu frei auf den Wegen und Plätzen der Hansestadt bewegen. Wohlgemerkt: es geht immer nur um das geprüfte Gespann! Wer zwei Hunde hat, macht zwei Führerscheine! Das Paar mit nur einem Hund macht natürlich auch zwei und andere Familienmitglieder dürfen auch nur mit bestandener Gespannprüfung auf die Leine verzichten.
Zu einer Änderung der Grünanlagenverordnung – wie für die Radfahrer problemlos geschehen – konnte oder wollte man sich nicht hinreißen lassen. Von der albernen Idee, den Hundeführerscheininhabern den Freilauf ihrer Hunde auf den Wegen in den Grünanlagen zu erlauben, haben die Verantwortlichen dann aber doch wieder Abstand genommen. Stattdessen hat man den „schwarzen Peter“ an die Bezirke geschoben. Diese werden nun über eine Globalrichtlinie dazu verpflichtet (allerdings ohne Rechtsanspruch für den Hundehalter), weitere Auslaufflächen für alle Hunde in ausreichender Anzahl und möglichst wohnortnah auszuweisen.
Darüber hinaus sollen – als Anreiz für die Ableistung des Hundeführerscheins – eigens auszuweisende Wege, Pfade und Rasenflächen in öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen freigegeben werden, auf denen geprüfte Hund-/Haltergespanne auf die Leine verzichten dürfen. Spielplätze und -flächen, Liegewiesen, Blumenbeete und Biotope bleiben – für jeden verantwortlichen Hundehalter nachvollziehbar – weiterhin tabu. Aber auch das von Hunden so geschätzte Unterholz und sämtliche Uferzonen gelten als Sperrgebiet für die Vierbeiner.
Abzuwarten bleibt, wann und mit welchen Angeboten die Bezirke ihrer Verpflichtung nachkommen werden. Aus den in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen im Dialog mit Gartenbauämtern, Bezirksversammlungen und Ortsausschüssen rechnet die Hunde-Lobby allerdings eher nicht mit einer zeitnahen, angemessenen und problemlosen Umsetzung der Globalrichtlinie. Hierzu gibt Berlin leider ein schlechtes Beispiel, dem Hamburg hoffentlich nicht folgen wird. Dort weigern sich die Bezirke nämlich, entsprechende Flächen auszuweisen.
Auch darf man gespannt sein, wie die Befreiung von der Anleinpflicht in Härtefällen aussehen wird. Insbesondere das Alter oder der Gesundheitszustand eines Hundes, aber auch die offensichtliche Ungefährlichkeit sollen im Einzelfall auf Antrag zur Befreiung von der Leinenpflicht führen.
Tatsächlich hat die von einigen Politikern geforderte soziale Komponente Berücksichtigung im Gesetz gefunden. In begründeten Fällen können Gebühren reduziert oder sogar ganz erlassen werden – „es will doch keiner, dass die Hundehaltung einzelner Bürger aufgrund von Gebührenbelastungen unmöglich gemacht wird“. Wie jene Halter die jährliche Haftpflicht-Prämie aufbringen sollen, wurde allerdings nicht bedacht. Wohlgemerkt: Wer seine Tierhalterhaftpflichtversicherung nicht aufrechterhalten kann begeht eine Ordnungswidrigkeit, für die ein Bußgeld verhängt werden kann.
Nun kann man es ja begrüßen, dass Welpen erst ab einem Alter von 6 Monaten gechippt werden müssen. Das war wohl aber der einzige Gedanke, den Politik an junge Hunde verschwendet hat. Unterliegen Welpen und Junghunde aber der generellen Leinenpflicht, kann man die Sozialisierung gleich ganz vergessen und eine auf dem Folgetrieb basierende Erziehung ebenfalls.
Insgesamt genießt Hamburg ab April das Bürger- und Hundeunfreundlichste Gesetz der Republik und unterwirft die Hundehalter der totalen Kontrolle. Allein der Ordnungswidrigkeiten-Katalog umfasst 31 Punkte: Vom nicht angelegten Halsband, über den nicht beseitigten Hundehaufen bis hin zu der Behauptung, dass ein bestimmter Hund nicht einer gelisteten Rasse angehört, reichen zukünftig die Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbußen bis zu 50.000 Euro geahndet werden können. In bestimmten Fällen ist sogar die Einziehung des Hundes vorgesehen.
Aber wie gesagt: Ohne das Engagement der Hunde-Lobby und anderer Initiativen, der Tierärzte und Kynologen hätte es noch viel schlimmer kommen können. Politik klopft sich derweil selbst auf die Schulter, hat für Rechtsicherheit gesorgt und kann endlich die Kinder dieser Stadt zuverlässig vor dem besten Freund des Menschen schützen. Dass man Experten gehört, ihnen aber nicht zugehört hat, ist nur einer der vielen Mängel dieses Gesetzes. Dass Hamburg das in der Verfassung verankerte Tierschutzgesetz mit Füßen getreten hat, werden die Hundehalter so schnell nicht vergessen. Und dass die Hundehalter, nachdem man sie mit ein paar Brosamen abgespeist hat, endlich Ruhe geben werden, wird nur ein Narr glauben.
Zu viele Fragen bleiben ungeklärt:
Wer soll die Gehorsamsprüfung abnehmen?
Viele selbsternannte Fachleute wittern bereits das große Geld mit den verunsicherten Hundehaltern. Und nicht zuletzt Dr. Barbara Schöning, Präsidentin der Hamburger Tierärztekammer, warnte bei einer der offiziellen Anhörungen davor, dass die Menge der abzunehmenden Prüfungen zeitnah gar nicht bewältigt werden kann. Die Hunde-Lobby empfiehlt, nichts zu überstürzen. Solange es keine amtlich anerkannten Stellen für die Abnahme der Gehorsamsprüfung gibt, solange sollte man warten. Inhaber der Begleithundeprüfung oder anderer vergleichbarer Zertifikate müssen ohnehin keine erneute Prüfung ablegen.
Wer soll das bezahlen?
Allein 4 Mio. Euro für die Umsetzung des Gesetzes, derzeit 2,8 Mio. Euro nur für den SOD (mit steigender Tendenz) und eine „satte“ sechsstellige Summe für die Programmierung des Zentralregisters – die Einschätzung des Bundes der Steuerzahler zu dieser Verschwendung bleibt abzuwarten. Geld, das an anderer Stelle – Schulen, KiTas, Lehrer und Erzieher – eingespart wird und ein vielfaches von dem, was Senatorin Schnieber-Jastram unlängst für die so genannte „Kinder-Task-Force“ locker gemacht hat.
Wo bleibt die Amnestie für bislang nicht angemeldete Hunde?
Dem Interesse der Stadt, die betroffenen Hunde aus der „steuerlichen Illegalität“ heraus zu holen, steht die Meinung der Finanzbehörde gegenüber, eine Amnestie wäre das falsche Signal an die steuerehrlichen Hundehalter. Ein wenig überzeugendes Argument, angesichts von Hundesteuerausfällen in Höhe von rund 2,7 Mio. Euro jährlich.
Sind die Tierheime auf die veränderte Situation vorbereitet?
Nicht nur die Hunde-Lobby befürchtet, dass sich eine Reihe von Hundehaltern aufgrund der neuen Gesetzeslage von ihren Tieren trennen wird. Sei es, weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen oder weil sie schlicht nicht bereit sind, die neuen Auflagen zu erfüllen. Ganz sicher werden es sich viele Hundefreunde aber überlegen, ob sie sich zukünftig überhaupt noch oder wieder einen Hund anschaffen werden. Die vorhersehbaren Auswirkungen auf die Vermittlung von Tierheimhunden bereiten zumindest verantwortungsvollen Tierheimchefs schon heute Kopfschmerzen.
Was passiert beim nächsten schweren Unfall mit Hundebeteiligung?
Die Hunde-Lobby hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es ein Restrisiko für Unfälle mit Hundebeteiligung gibt. Deshalb hat die Hunde-Lobby immer für Prävention – sprich für sachkundige Hundehalter – plädiert. Der jetzt beschlossene „Pipifax-Hundeführerschein“ ist völlig untauglich, die Spreu vom Weizen zu trennen und belastet die ohnehin verantwortungsvollen Hundehalter nur mit zusätzlichen Kosten. Man darf gespannt sein, was nach dem ersten Unfall mit Hundebeteiligung unter dem neuen Hundegesetz auf Hamburgs Hundehalter zukommen wird. Die weitere Verschärfung des Gesetzes? Noch mehr Listenhunde? Höhere Bußgelder? Maulkorbzwang und Wesenstest für alle? Haltungsgenehmigung für alle Hunde über 15 cm Schulterhöhe? In einer Stadt, in der Prestigeobjekte augenscheinlich wichtiger sind als die Menschen, die in ihr leben, scheint leider alles möglich…