Erste Kennzahlen ein halbes Jahr nach Ablauf der Übergangsfrist
Am 5. Juli legte Gesundheits-Staatsrat Dietrich Wersich der Presse erste Ergebnisse zum Hamburger Hundegesetz vor und zog ein Resümee: „Wir können ein gutes halbes Jahr nach Ablauf der Übergangsfristen zufrieden mit Umsetzung und Wirkung des Hundegesetzes sein. Die Ziele: mehr Sicherheit vor Beißvorfällen, der Nachweis einer Haftpflichtversicherung für jeden Hund und gleichzeitig mehr Hundeauslaufzonen und Freilaufflächen für gehorsame Hunde wurde erreicht. Lediglich das Bezirksamt Bergedorf muss noch entsprechende Flächen für gehorsamsgeprüfte Hunde frei geben. Besonders erfreulich ist der zu verzeichnende Rückgang bei den Beißvorfällen, insbesondere bei den Rottweilern. Die von manchen befürchtete Flut von Ordnungswidrigkeitsverfahren ist ausgeblieben, da die Hundehalter offenbar sehr vernünftig mit den neuen gesetzlichen Regelungen umgegangen sind.“ Die Meinung der Gesundheitsbehörde können Hamburger Hundehalter dennoch so gar nicht teilen. Das Gesetz bleibt ein Unrechtgesetz, das dem Tierschutz widerspricht, bürokratisch und teuer ist.
Während der Staatsrat die Anmeldung von 34.500 Hunden zum Zentralregister – mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes – als großen Erfolg feiert, sind faktisch bislang nicht einmal alle steuerlich erfassten Hunde gemeldet, geschweige denn die auf rund 30.000 Hunde geschätzte Dunkelziffer. Mehr als erstaunlich ist auch, dass es jetzt möglich sein soll, einen Abgleich mit der Hundesteuerstelle vorzunehmen, um Verweigerer anzuschreiben, obwohl doch eine automatische Registrierung über die Hundesteuerstelle angeblich nicht möglich war. Dennoch haben gut 88 Prozent der Halter ihre gesetzlichen Pflichten (Chippen, Haftpflichtversicherung, Anmeldung) erfüllt und teuer dafür bezahlt. Allein für die Registrierung dürften die Einnahmen der Stadt bei rund 448.500 Euro liegen. Wofür dieses Geld verwandt wird, war dem Staatsrat keine Silbe wert.
Und auch die flächenmäßige Verdoppelung von Freilaufflächen von 103 Hektar im Frühjahr 2005 auf 200 Hektar im Herbst 2006 (von 96 Flächen auf jetzt 113 = 50 qm je Hund oder 345 Hunde, die sich auf jeweils einer Fläche „so richtig austoben“ können) klingt nur vordergründig positiv – die meisten Hundehalter kennen die vielen viel zu kleinen und unzureichenden Flächen in ihrer Nachbarschaft. Ein tatsächlicher Spaziergang ohne Leine ist auf diesen Hunde-Klos gar nicht machbar. Schaut man die Zahlen genauer an, stellt man fest, dass 200 Hektar gerade einmal 0,26 Prozent der 75.500 Hektar des Hamburger Stadtgebiets entsprechen. Wie damit eine wohnortnahe Erreichbarkeit der Freilaufflächen gewährleistet werden soll, blieb ebenfalls offen.
Zudem widerspricht Wersich einer Pressemeldung vom 21. November 2006, in der der Senat mit 117 bestehenden und 14 weiteren neu einzurichtenden Freilaufflächen wirbt (insgesamt also 131). Die Zahlen sind also rückläufig! Streng genommen gibt es sowieso nur 101 Freilaufflächen, da 12 dieser Freilaufzonen inzwischen nur noch gehorsamsgeprüften Hunden zur Verfügung stehen.
Auch die wenigsten Bezirke haben sich bei der Umsetzung der Globalrichtlinie mit Ruhm bekleckert. Hier heben sich allein die Bezirke Wandsbek und Harburg wohltuend ab. Sie haben nämlich erkannt, dass ein gehorsamsgeprüfter Hund nicht nur auf öffentlichen Wegen ungefährlich ist, sondern auch in den Grünanlagen. Deshalb hatte beispielsweise Wandsbek zeitnah und unbürokratisch alle Grünanlagen – mit wenigen Ausnahmen, z.B. dem Schulgarten – für gehorsamsgeprüfte Hunde freigegeben. Wie die Nachfrage beim dortigen BOD (Bezirklicher Ordnungsdienst) ergab, haben sich die Vorfälle mit freilaufenden Hunden in Wandsbek nicht etwa erhöht, es gab gar keine. Und während Hundehalter in Wandsbek, Harburg und Teilen des Bezirks Nord mit ihrem Hund endlich wieder unangeleint Spaziergänge unternehmen können, die diese Bezeichnung auch verdienen, gucken die anderen in die Röhre und dürfen sich mit ein paar hundert Metern Weg und ein paar Quadratmetern zusätzlicher Wiese zufrieden geben. Wo in den Grünanlagen der geprüfte Hund tatsächlich abgeleint werden darf, blickt zudem kaum noch einer. Und da wundert sich der Staatsrat, dass bislang lediglich 8.600 Hunde von der Anleinpflicht befreit wurden und 78 Prozent der Hundehalter diesen Unsinn verweigern?
Von Anfang Januar bis Mitte Juni dieses Jahres wurden denn auch nur 101 Hundehalter vom BOD belästigt. In 26 Fällen haben die Bezirke Bußgeldbescheide erlassen, viermal wurden Verwarnungen mit Verwarngeld ausgesprochen und in drei Fällen erfolgten Verwarnungen ohne Verwarngeld. 59 Verfahren sind derzeit noch offen, neun weitere wurden eingestellt. Die meisten Bußgeldbescheide erfolgten aufgrund des unberechtigten Führens eines Hundes ohne Leine. Die wenigen Verfahren dürften allerdings nicht der Akzeptanz des Gesetzes durch die Hundehalter geschuldet sein, sondern schlicht der Tatsache, dass sich die Stadt gar nicht so viele Mitarbeiter leisten kann, wie sie zur Durchsetzung der Leinenpflicht tatsächlich bräuchte.
Erfreulich ist der Umstand, dass es jetzt tatsächlich gesicherte Aussagen über die Hunde-Population in Hamburg geben soll. Während sich Wersich jedoch an dem Verhältnis von 35 Prozent Mischlingshunden gegenüber 65 Prozent Rassehunden festhielt, fielen Zahlen über die tatsächliche Anzahl von Kategorie I- (unwiderlegbar gefährlich) und Kategorie III-Hunden (widerlegbar gefährlich) völlig unter den Tisch. Das machten auch die Angaben über den vermeintlichen Rückgang der Beißvorfälle von 451 in 2005 auf 384 in 2006 deutlich, für die vor allem Mischlinge, gefolgt von Schäferhunden und Schäferhund-Mischlingen, Terriern, Boxern, Golden Retrievern und Rottweilern, verantwortlich gemacht werden. Die Frage sei erlaubt, ob die Halter von Mischlingen jetzt damit rechnen müssen, dass der Mischling zum Hund der Kategorie I oder III wird – zusammen mit Schäferhund, Jack Russel und Goldie!
Außerdem ist der Rückgang der Beißvorfälle um 70 Prozent bei den als widerlegbar gefährlich geltenden Rottweilern so gar nicht zu relativieren. Gab es früher sechs und jetzt nur noch zwei Fälle? Waren es früher 243 bissige Rottweiler und jetzt nur noch 81? Oder wurden in 2005 eben doch nur drei Rottis auffällig und ein Jahr später nur noch einer? Zudem machte der Staatsrat insgesamt keinerlei Angaben darüber, ob es sich bei den 384 so genannten Beißvorfällen um Streitigkeiten zwischen Hunden handelte oder um Übergriffe von Hunden auf Menschen, wobei er mit keiner Silbe darauf einging, ob es sich um schwere oder lediglich leichte Verletzungen handelte, bzw. ob überhaupt jemand verletzt wurde. Auch die Umstände, die zum Unfall führten, ob die beteiligten Hunde frei liefen oder angeleint waren u.ä. scheinen für die Gesundheitsbehörde ebenfalls völlig nebensächlich zu sein.
Der Zwischenbilanz mangelt es zudem an jeglicher Reflexion über Sinn und Unsinn des Gesetzes, das die Hundehalter seit mehr als einem halben Jahr in seiner ganzen Konsequenz trifft: Keine Aussagen zu den Auswirkungen des Gesetzes auf eine Polarisierung der Bevölkerung (u.a. durch heimtückische Attacken von Hundehassern mit vergifteten oder mit Rasierklingen versetzten Ködern) und schon gar keine Angaben darüber, was den Steuerzahler der ganze Unsinn bislang gekostet hat.