Hunde-Lobby beim Tag der offenen Tür des HTV

Zwei Tage vor dem offiziellen Welttierschutztag am 4. Oktober 2005 lud der Hamburger Tierschutzverein (HTV) wie in jedem Jahr zu einem Tag der offenen Tür ins Tierheim Süderstraße. Zwischen 10.00 und 16.00 Uhr hatten Interessierte die Möglichkeit, sich über die Arbeit des größten und reichsten Tierschutzvereins der Bundesrepublik zu informieren und einen Großteil der rund 1.000 Hunde, Katzen, Kleintiere und Vögel in Augenschein zu nehmen. Wie auch in den Jahren zuvor glich die Veranstaltung eher einem Volksfest und war aufgrund der Lautstärke der Live-Musik in den Augen vieler Tierfreunde einmal mehr für die im Tierheim lebenden Tiere eine unzumutbare Belastung.

Die Hunde-Lobby nahm die Veranstaltung zum Anlass, die Besucher des HTV an ihrem Info-Stand über das geplante Hundegesetz und die Vorwürfe gegen HTV-Geschäftsführer Wolfgang Poggendorf zu informieren. Poggendorf war u.a. in die Schlagzeilen geraten, nachdem sich Sugar, der „gefährlichste Hund von Deutschland“ wie durch ein Wunder in den Händen der „Hundeflüsterin“ Chrstiane Rohn in ein Schmusetier verwandelt hatte.

 

Den vielen fleißigen Helfern am Stand wurden das Info-Material über das neue Hundegesetz und die Mitgliedsanträge für den Hunde-Lobby e.V. nur so aus den Händen gerissen. Dabei zeigte sich, dass noch immer viele Halter nur unzureichend über die Pläne von Senat und Bürgerschaft informiert sind. Während die einen glaubten, mit dem so genannten Hundeführerschein könnten sie ihrem Vierbeiner uneingeschränkten Freilauf in allen Hamburger Grünanlagen ermöglichen, gab es sogar Hundehalter, die meinten, weil ihr Hund gechippt und bei Tasso oder einer anderen Organisation registriert sei, würden sie dem Gesetz Genüge leisten und könnten aus diesem Grund ihren Hund überall frei laufen lassen.

Als Zeichen gegen die vom HTV-Geschäftsführer veranlassten Wesensteste, die in der Vergangenheit so manchem Listenhund das Leben gekostet hatten, aber auch weil Wolfgang Poggendorf in seiner Funktion als Vorsitzender des Tierschutzbeirats für den generellen Leinenzwang plädiert hatte, zogen kurz nach 14.00 Uhr rund 30 Hunde-Lobbyisten – darunter auch die 86-jährige Hildegard Dobbertin –

mit schwarzen Zylindern und Melonen friedlich über das Gelände des HTV. Auf den Hüten war zu lesen: „Pogge go home“, „Shame on you, Mr. P.“, „Tausche Pogge gegen Dogge“ oder auch „Sugar und Chico klagen an“.

Gar nicht erfreut über die Aktion ließen Mitglieder des HTV-Vorstandes den „Gästen mit den schwarzen Hüten“ durch den Sicherheitsdienst ausrichten, dass sie das Gelände nach ihrem Rundgang wieder zu verlassen hätten und dieses nur wieder ohne Hüte betreten dürften.

Karin Klinkradt (m), Vorstandsmitglied im HTV hier im Gespräch mit dem Sicherheitsdienst

Begebenheit am Rande

Nach unzähligen Versuchen der Hunde-Lobby, mit dem HTV-Geschäftsführer ins Gespräch zu kommen, stattete Wolfgang Poggendorf dem Stand der Hunde-Lobby bereits kurz nach 10.00 Uhr doch tatsächlich einen Besuch ab. Nachfolgend die Zusammenfassung des Gesprächs von Ursula:

„Nachdem unser Info-Stand vor dem HTV aufgebaut und das Info-Material ausgelegt war, kam gleich eine erste Überraschung auf uns zu. Herr Poggendorf, in Begleitung seines Sicherheitsdienstes, kam an unseren Stand. Nach höflicher Begrüßung und Lob für unsere Arbeit setzte er sein Gespräch mit Rechtfertigungen bzgl. aller Vorwürfe, die gegen ihn in der Presse zu lesen waren, fort. Er wehrte sich vehement dagegen, dass er Wesenstests manipuliert haben soll. Zwar räumte er ein, dass es beim Test mit Sugar ein Fehler war, die Maulkörbe im Kinderwagen zu deponieren, wies aber alle anderen Vorwürfe diesbezüglich von der Hand. Er betonte den Wahrheitsgehalt seiner Aussage mit den humoristischen Worten: „Ich belüge Sie nicht… und wissen Sie warum? Weil wir nicht verheiratet sind!“

Anschließend meinte er, wir wären doch gemeinsam viel stärker. Daraufhin habe ich ihn eindringlich daran erinnert, dass wir unsere Gesprächsbereitschaft in dieser Richtung in der Vergangenheit bereits mehrmals deutlich signalisiert hätten. Meinen Vorwurf, dass er durch sein Verhalten unser Hunde-Symposium im März d.J. boykottiert und durch seine kurzfristige Absage ein klares Zeichen gesetzt hätte, ließ er unkommentiert. Ich betonte weiterhin, dass wir mehrere Versuche (E-Mails und Anrufe) unternommen hätten, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Herr Poggendorf äußerte daraufhin, dass nie etwas derartiges bei ihm angekommen bzw. zu ihm durchgedrungen sei.

Zu meiner Kritik, dass der Tierschutzbeirat, dessen Vorsitz er inne hat, sich für einen generellen Leinenzwang ausgesprochen hat, brachte er den Einwand, dass diese Aussage nur in Verbindung mit der Ausweisung von 200 Auslaufflächen getroffen wurde.

Inzwischen war ein Fotograf aufgetaucht, der von Herrn Poggendorf animiert wurde, doch ein Foto zu machen. Es dürfte sich um einen hauseigenen bzw. für die Veranstaltung engagierten Fotograf gehandelt haben. Nun kam auch noch eine Mitarbeiterin des HTV an den Stand, die den Eindruck vermittelte, als müsse sie Herrn Poggendorf beschützen. Der Mann vom Sicherheitsdienst gab dieser Mitarbeiterin deutlich zu verstehen, dass dazu keine Notwendigkeit bestünde, zumal von Seiten der Hundelobby keine derartige Gefahr ausgehe. Außerdem sei er in seiner Funktion als Sicherheitsbeauftragter dafür verantwortlich.

Herr Poggendorf bekräftigte noch einmal, welchen Status er innerhalb des HTV einnimmt. Er betonte, dass seit der öffentlichen Vorwürfe gegen ihn lediglich zwei Mitglieder aus dem HTV ausgetreten wären. Dies mache doch deutlich, dass man hinter ihm stehen würde.

Bevor er sich nun verabschiedete und in ’sein Revier‘ zurückkehrte, machte er noch eine Äußerung, die mich nachdenklich stimmt. Hierbei ging es um die Auswahlkriterien für seinen möglichen Nachfolger. Er betonte, dass er sein Augenmerk weniger auf Ausbildung und Zeugnisse sondern vielmehr auf den Kontostand des Aspiranten legen würde, da man daran ermessen könnte, was derjenige erreicht hätte. Natürlich ist mir klar, dass gerade im Tierschutz Geld eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Investieren doch sehr viele von uns nicht nur ihre Energie sondern auch eine gehörige Portion an schwer verdienten Euros in diese Arbeit. Und viele Projekte wären ohne finanzielle Mittel einfach nicht durchführbar. Wenn allerdings im Tierschutz auch das Geld die Regentenrolle übernehmen soll, dann scheint es mir schlecht bestellt um unsere Tiere. Denn nicht jeder erfolgreiche und finanzkräftige Mensch muss gleichzeitig ein Tierkenner und -schützer sein. Mir wäre wohler bei dem Gedanken, wenn sich die Geschäftsführung auf zwei Zuständigkeitsbereiche aufteilen würde – Finanzen und Tierschutz/-pflege. Mit dieser Lösung könnte sowohl dem Tierschutzgedanken als auch dem finanzkräftigen ‚Unternehmen‘ Rechnung getragen werden. Zum Wohle aller Tiere. Und auch zum Wohle der Menschen, die sich für Tierschutz engagieren wollen. Leider hatte ich keine Gelegenheit mehr, diese Anregung weiterzugeben, da sich Herr Poggendorf bereits verabschiedet hatte.

 

Ich hätte allerdings noch eine Menge Fragen gehabt, auf deren Antworten ich mehr als gespannt gewesen wäre. Und egal, aus welchen Beweggründen auch immer Herr Poggendorf an unseren Stand gekommen ist, ich hätte mir gewünscht, dass er dieses Gespräch schon viel früher gesucht hätte. Gelegenheit dazu gab es mehr als genug, wie die meisten Hunde-Lobbyisten wissen. Warum müssen so viele Menschen eigentlich immer erst in eigene Bedrängnis geraten um zu erkennen, wo die wahren Stärken liegen.“

Soweit das Gespräch zwischen Ursula Lindemann und Wolfgang Poggendorf. Ein Schelm, der dabei böses denkt: Hatte nicht eben dieser Herr Poggendorf das Tierheim geschlossen, weil er zur symbolischen Hundeabgabe im vergangenen Jahr Übergriffe der Hunde-Lobby befürchtet hatte (vergleiche „196 Hunde symbolisch abgegeben“)? Und hatte nicht eben dieser Herr Poggendorf mit seinem „ewigen hin und her“ versucht, das II. Hamburger Hundesymposium (vergleiche „II. Hamburger Hundesymposium“) zu torpedieren?

Die Hunde-Lobby hat sich in Sachen Gesprächsbereitschaft nichts vorzuwerfen, im Gegenteil! Die engagierten Hundefreunde hätten es begrüßt, wenn Hamburgs vermeintlich oberster Tierschützer Rückgrat gezeigt, sich an die Seite der Hamburger Hundehalter gestellt und sich mit ihnen gemeinsam für ein akzeptables Hamburger Hundegesetz eingesetzt hätte.

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