Demo durch die Innenstadt von Hannover

Am Sonntag, dem 2. August 2009, zogen mehr als 1.000 Zwei- und Vierbeiner friedlich vom Hauptbahnhof Hannover zur Marktkirche, um gegen die Pläne von Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen, das bestehende Hundegesetz zu verschärfen, zu demonstrieren. Der Zug wurde auch von der FDP-Politikerin Almuth von Below-Neufeldt und dem CDU-Politiker Wittich Schobert begleitet.

In einer mitreißenden Rede fassten die Initiatoren der Demo, Andrea Höll und Kathrin Ebmeier von den „Tierischen Engeln“ die Forderungen der Hundehalter zusammen:

„Wir freuen uns, dass sich so viele Menschen unserem Demonstrationszug angeschlossen haben. Sogar ein paar Politiker sollen unter uns sein, die ich herzlich begrüßen möchte: Herr Schober von der CDU und Frau Below-Neufeld von der FDP – schön, dass Sie bei uns sind!

Die Hundefreunde, die den langen Marsch von der Bahnhofstraße bis hierher mitgemacht haben, kennen die Gründe für unseren Protest.  Diejenigen, die sich zufällig hier auf dem Platz eingefunden haben, mögen sich vielleicht fragen: Was wollen diese vielen Menschen hier vor der Marktkirche?  Der Grund ist ganz einfach: Unsere Freiheit und die unserer vierbeinigen Familienmitglieder ist in Gefahr!

In den letzten Wochen und Monaten sind unsere Hunde einmal mehr in die Schlagzeilen geraten, weil es zu bedauerlichen Beißunfällen gekommen ist. Und nun ist es auch in Niedersachsen soweit: Eine bislang vorbildliche Hundegesetzgebung steht auf dem Prüfstand und soll verschärft werden.

Es steht zu befürchten, dass nach der parlamentarischen Sommerpause im Landtag, alle Hunde, die größer als 40 cm und schwerer als 20 kg sind, nur noch an der Leine und mit Maulkorb laufen dürfen. Diesen Unsinn machen wir nicht mit!

Es besteht in Niedersachsen kein Gesetzesdefizit sondern allenfalls ein Vollzugsdefizit. Statt die hundehaltende Bevölkerung mit immer neuen Gesetzen und Verordnungen zu drangsalieren, fordern wir die Politik auf, bestehende Gesetze auszuschöpfen und so die Bürger vor den tatsächlichen und nicht den vermeintlichen Gefahren durch Hunde zu schützen.

Wie die Studie der Uni Göttingen „Ökonomische Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in Deutschland“ vom Januar 2006  belegt, wird in rund 13 Prozent der Haushalte ein Hund gehalten. Im Zeitraum von 1968 bis 2005 gab es 58 tödliche Hundebisse in Deutschland, d.h. im Durchschnitt 1,53 tödliche Zwischenfälle mit Menschen pro Jahr.

Erfasst man sämtliche gemeldeten Zwischenfälle mit Hunden (ein Mensch wird durch einen Hund verletzt oder ein anderer Hund wird durch einen Hund verletzt), so kommt man laut Deutschem Städtetag auf ca. 30.000 Zwischenfälle im Jahr, so dass man lediglich ca. 0,6 Prozent der Hunde als potenziell gefährlich einstufen müsste. Dabei dominieren allerdings in
den Fällen mittlerer oder schwerer Verletzungen bzw. Tötungen die Zwischenfälle zwischen Hund und Hund. Bei den Verletzungen von Menschen gibt es viele leichte Verletzungen, die vermutlich vor allem wegen des Versicherungsanspruchs gemeldet werden.
Die Zahlen veranschaulichen recht deutlich, dass das derzeit gültige niedersächsische Hundegesetz adäquat auf die tatsächliche Gefährdung durch Hunde eingeht und
keiner Änderung bedarf.

Im Vergleich dazu mal ein paar Zahlen:

Allein das Land Niedersachsen verzeichnete in den ersten fünf Monaten diesen Jahres 16.533 Verkehrsopfer, von denen 197 ihr Leben verloren. Das sind mehr als dreimal so viele Todesfälle in nur fünf Monaten in Niedersachsen, wie durch Hunde in der gesamten Bundesrepublik in 38 Jahren getötet wurden. Mehr als 6.000 Menschen sterben in diesem Land jährlich bei Haushaltsunfällen. Gemessen an den wenigen Vorfällen, an denen Hunde beteiligt sind, bleibt die Politik in diesen Fällen relativ stumm. Kein Politiker käme auf die Idee, Tempo 30 in allen Ortschaften und Tempo 100 für alle Autobahnen zu fordern oder gar die Haushaltsleitern zu verbieten, nur weil man von ihnen beim Fensterputzen herunter fallen könnte. Aber mit unseren Hunden kann man es ja machen!

Zur Erinnerung:  Im Mai dieses Jahres kam es zu einer schlimmen Beißattacke in Hildesheim, als zwei Rottweiler zwei spielenden Kindern schwere Bissverletzungen zufügten. Mit Sicherheit ein Horror für jeden von uns. Eine Anmerkung dazu: Dies hätten allerdings auch z.B. zwei Schäferhunde oder zwei Boxerhunde gewesen sein können, die in keiner der Bundesländerlisten als „gefährlich“ verzeichnet sind.

Einige Parteien im niedersächsischen Landtag nehmen diesen und einige andere Einzelfälle nun zum Anlass, sich als „Wächter von Schutz und Ordnung“ profilieren zu müssen.

Es folgten zwei Anträge im Landtag:

Die Grünen fordern am 9.06.09, dass alle Hundebesitzer einen Sachkundenachweis mit theoretischem und praktischem Teil absolvieren müssen, sowie eine Haftpflichtversicherung mit einer Mindestsumme von 1 Mio. Euro für Personenschäden und 250.000 Euro für Sachschäden abzuschließen haben. Gleichzeitig sollen alle Hunde und somit ihre Halter über ein Identifizierungssystem behördlich gemeldet und somit identifizierbar sein.

Die SPD legte am 10.06.09 noch einen drauf, indem sie beantragte:
Einführung von Rasselisten, die Pflicht einer Tierhalterhaftpflicht und Kennzeichnung durch einen Mikrochip, sowie das Halten von gefährlichen und/oder großen Hunden mit besonderen Auflagen zu versehen, wie u.a. Sachkunde, Zuverlässigkeit und persönliche Eignung. In dem Zusammenhang verweist man auf das aktuelle Hundegesetz in NRW, dass beinhaltet einen Sachkundenachweis für Hunde ab 20 kg oder ab einer Schulterhöhe von 40 cm. Ebenso gibt es in NRW Rasselisten, in denen Hunde auf Grund ihrer Rasse als gefährlich eingestuft sind und somit einen Verhaltenstest machen müssen.

Um nun nicht ins Hintertreffen zu geraten, dachte auch der zuständige CDU-Agrarminister Ehlen „laut“ über eine eventuelle Verschärfung des Landeshundegesetzes nach.

In einem Interview sagte Herr Ehlen kürzlich: „Wir können nicht alles im Vorfeld regeln, bringen wir das Gesetz erst mal auf den Weg.“

Hier sagen wir eindeutig: Nein Herr Ehlen! So geht es nicht. Es ist ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, im Vorfeld alles zu bedenken und die hundehaltende Bevölkerung nicht mit einem halbdurchdachtem Gesetz in ihren freiheitlichen Grundrechten einzuschränken. Auch beim Hund gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das bestehende Gesetz ist völlig ausreichend, sie haben doch daran mitgewirkt. Setzen Sie sich jetzt dafür ein, dass es auch Anwendung findet.

Und machen wir uns doch nichts vor, Hundehalter, die sich nicht verantwortungsbewusst verhalten und ihre Hunde nicht im Griff haben, werden sich auch zukünftig nicht an Gesetze halten, wenn es keine ausreichenden Kontrollen gibt. Zudem passiert ein Großteil der Unfälle im privaten Bereich, da greift kein noch so gut gemeintes Gesetz.

Lediglich die FDP als Mitregierungspartei äußert am 19.06.09: Rasselisten sind fachlich unsinnig, schaffen allenfalls Scheinsicherheiten und sind nicht geeignet, das Problem gefährlicher Hunde zu lösen. Sie wären nach unserer Auffassung nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar.

Recht hat die FDP: Es gibt keine Hunde, die auf Grund ihrer Rasse, ihrer Größe oder ihres Gewichtes gefährlicher sind als andere. Das ist genauso falsch und diskriminierend, wie wenn früher die Nachbarin rief: Leute nehmt die Wäsche von der Leine, die „Zigeuner“ kommen.

Gegen eine Chippflicht oder Haftpflichtversicherungspflicht ist im Grunde nichts einzuwenden, dies ist nichts Neues und auch heute schon auf freiwilliger Basis „Stand der Dinge“.

Ein Sachkundenachweis, eine Zuverlässigkeitsprüfung oder ein Verhaltenstest klingen da schon vernünftiger. Nur, wer soll die Prüfungen vornehmen und zu welchen Kosten?

Die Veterinärämter? Die werden sich bedanken, da sie ohnehin schon überlastet sind.
Die Tierärzte? Sind das alles Hundefachleute?
Die Hundeschulen? Hier bestehen berechtigte Zweifel, ob Prüfungen hier an der richtigen Stelle angesiedelt sind, solange es keine Zertifizierung für Hundeschulen gibt und es ausreicht, sich einen Gewerbeschein zu holen, um eine Hundeschule zu eröffnen. Die Halterin der beiden Rottweiler in Hildesheim soll ja auch so eine Hundetrainerin gewesen sein.

Aber wenn wir denn ausreichende gesetzliche Regeln haben, was braucht es dann? Rücksichtnahme und Toleranz auf beiden Seiten! Wir brauchen Hundehalter mit Umsicht, die sich vorstellen können, dass Radfahrer, Jogger und Spaziergänger den Satz „der will nur spielen“ nicht mehr hören können. Aber wir brauchen auch Toleranz auf Seiten der Nicht-Hundehalter, von denen wir nicht auf Grund von Rasse oder Grösse unseres Hundes beschimpft oder in gewisse Schubladen gesteckt werden möchten.

Wir fordern die Politik daher auf, auf Prävention zu setzen. Verkehrserziehung ist in KiTas und Schulen tägliche Praxis. Der Hund blickt auf eine jahrtausendewährende Geschichte im Zusammenleben mit dem Menschen zurück. Geben Sie unseren Kindern die Chance, frühzeitig den richtigen Umgang mit dem besten Freund des Menschen zu erlernen.

Ich selber wurde als Kind zweimal von einem Hund gebissen und muss hier ganz klar sagen, dass es meine Schuld war. Man hatte mir mehrmals gesagt, ich solle den Hund in Ruhe lassen. Nur da wir ja alle mal Kinder waren, wissen wir, dass die verboten Dinge erst recht reizvoll sind und somit war ich dann schneller als jeder Erwachsene reagieren konnte und schon war es passiert.

Kinder erkennen die Hundesprache nicht und sind somit auf die Erwachsen angewiesen.
Es passieren immer mal wieder Zwischenfälle in der eigenen Familie mit Hund und Kind.
Da muss man sich fragen, woran das liegt. Typische Warnsignale werden ignoriert, der Hund möglicherweise dafür zurechtgewiesen oder gar bestraft, bis es dann irgendwann zu spät ist.“

Abschließend appellierten die beiden „Tierischen Engel“ an die Hundehalter: „Sprecht mit Euren örtlichen Politikern ehe es zu spät ist. Schreibt einen Brief oder eine Email an die Landtagsparteien. Noch werden die Anträge der Grünen und der SPD im Fachausschuss beraten und können noch geändert oder abgewiesen werden. Unsere Hunde sind keine Objekte für Aktionismus und populistische Parteiendarstellungen!“

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