Obdachloser mit 2 Hunden

Obdachlos mit Hund

Obdachloser mit 2 HundenDie ehrlichste Liebe, die es gibt

Die Münze gesellt sich klirrend zu den anderen, die Geberin streichelt die Hunde. „Die sind zu süß.“ Sie schenkt ihm ein Lächeln, er bedankt sich.

Sie gehören zum Inventar der Großstädte und sind dennoch für viele unsichtbar. Rund 50.000 Menschen leben auf Deutschlands Straßen, circa 2.000 in Hamburg. Einige von ihnen mit ihren Hunden, treuen Begleitern. Hamburg ist ein Magnet für Wohnungslose, das Hilfsnetz ist stabil. Aber auch das beste Netz bringt einem nichts, wenn die Stränge reißen.

Der April beschert Hamburg einen Sonnentag. Die Straßen von Ottensen strotzen vor Menschen. Sie schlängeln sich zwischen Marktständen hindurch, buntes Treiben in der Einkaufsstraße. Mission: Wochenendeinkauf. Auf Bänken und Bahnhofsstufen trifft Unbeschwertheit auf Freude. Irgendwoher dröhnen Stimmen einer Zero-Covid-Demo. Vereinzelter Applaus. Mittendrin ein Mann mit zwei aneinandergeleinten Hunden und einem Becher in der Hand. Er tritt ein wenig auf der Stelle, tapsend wie seine vierbeinigen Freunde.

Michael hat auf der Straße gelebt. Inzwischen bezieht er Hartz IV und hat eine Wohnung, das Geld reicht aber nicht aus. Um 15.00 Uhr hat er noch nichts gegessen. Seine Hunde schon betont er. „Die kriegen immer was, immer als erstes.“ Jeden Tag steht er in der Ottenser Hauptstraße, um zu betteln. Max und Fräuleinchen immer dicht bei ihm. Zwei Jahre kommt er nun schon, stets um 14.00 Uhr. Er ist bekannt, seine Begleiter auch. Viel gesprochen wird nicht mit ihm, höchstens ein kurzer Austausch, manchmal fallen ihm deswegen bestimmte Worte nicht direkt ein. Verwachsen mit dem Ort und den Menschen, schlechte Erfahrungen macht er nur wenige. Aber die Entwürdigung nach Geld zu fragen, die ist das Schlimmste. „Das ist nicht das was ich will, aber eine Wahl hab‘ ich nicht. Ich will nicht auf das Geld von anderen Menschen angewiesen sein.“ Er schämt sich, dass er das Geld auch für Tabak und Bier ausgibt. Eine Dose steckt in der Hosentasche.

Das Schönste, was ihm im letzten Monat passiert ist, seine Tierarztrechnung wurde übernommen – einfach so. Während er von Max‘ Schlaganfall berichtet, kommen dem 52-jährigen Tränen. Der junge Rüde ist seitdem fast blind. Mehrere Hundert Euro hatte die Behandlung ihn gekostet. Ob Schulden aufnehmen oder hungrig ins Bett, für seine Tiere würde der Wahlhamburger alles tun. Als dann eine Frau, die ihn nur vom Vorübergehen kennt, die letzte Rate von 170 Euro übernahm, habe er geweint vor Überwältigung und Dankbarkeit.

Täglich geht es vor und nach dem Betteln eineinhalb Stunden in den Park, gemeinsam halten sie sich fit. Michael wünscht sich Gesundheit für seine Hunde und sich selbst, für sich damit er immer für sie da sein kann. Er klopft sich dreimal gegen den Kopf. Beim Füttern achtet Michael genau darauf, dass keiner seiner Hunde zu viel bekommt. Als ein junger Mann sich zu ihm stellt und beginnt die Hunde zu streicheln, wird er unruhig. Bestimmt fordert er ihn auf zu gehen und die Hunde in Ruhe zu lassen. Man kennt sich, Michael hat nichts gegen ihn, nur dagegen, dass er die Hunde manchmal füttert.

Bevor Michael seine Wohnung bekam, lebte er auf der Straße oder kam sporadisch in Wohngemeinschaften unter. Mehrmals die Woche versuchte er sein Glück an eine Wohnung zu kommen – erfolglos. Für ihn war der Bau der Elphi schuld. Zu viel Geld habe die Stadt verschwendet, das dann im sozialen Wohnungsbau gefehlt habe. Kriminalität und Gefängnis haben ihn ins gesellschaftliche Abseits katapultiert. Heute wiegt die Verantwortung für seine Tiere mehr als jeder mögliche Fehltritt. „Die sind mehr als meine Familie, die sind mein Herzblut, mein Leben“, sagt er mit Nachdruck. Keinen der beiden würde er jemals hergeben, komme was wolle.

Hunde sind oft der einzige Freund und Vertraute auf der Straße. Sie spenden Trost und Sicherheit. Gleichzeitig halten sie ihre Besitzer meist vom Griff zur Flasche oder Drogen ab. Wer mit einem Hund auf der Straße lebt, ist sich seiner Verantwortung bewusst – vor ihm kommt immer das Tier. „Ein Hund spendet nicht nur Kraft und hilft dem Menschen dabei im Leben zu bleiben. Er unterstützt auch sehr dabei zu normalen Verhältnissen zurückzukehren,“ erklärt Thorben Goebel-Hansen vom Harburg Huus, einer Tages- und Übernachtungsstelle für wohnungslose Menschen mit Hund. Klar ist, was viele für eine doppelte Last halten, ist eine Hilfe.

Ein Hund bewertet einen Menschen nicht nach seinem Äußeren oder Gehalt. Gibt man einem Hund Liebe, schenkt er einem ein Zuhause. Die ehrlichste Liebe, die es gibt.

Foto: Pixabay/Sara Vaccari

 

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