Ein Schelm, der dabei Böses denkt

Tierschützer und Hundefreunde haben es immer geahnt: die vom Senat vorgelegten Beißstatistiken können so nicht stimmen. Wie ein hartnäckiger Hundehalter jetzt mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes herausbekommen hat, sind Hunde der Rasse Weimaraner und deren Mischlinge zwischen 2004 und dem 31.3.2008 (Population in Hamburg: 133) nicht wie angegeben nur durch zehn Beißunfälle (neun Menschen, ein Hund verletzt), sondern durch 19 Vorfälle auffällig geworden. Im gleichen Zeitraum kam es bei den Bullterriern und deren Mischlingen (Population in Hamburg: 120) zu zehn Vorfällen, bei denen allerdings „nur“ drei Menschen verletzt wurden. Bei der Evaluierung des Hundegesetzes wurde aus diesen Zahlen keinerlei Konsequenz gezogen.

Die Stadt Hamburg begründete dies in ihrem Bericht über die Anwendung und Auswirkungen des Hundegesetzes damit, dass der Bullterrier mit Inkrafttreten des Hundegesetzes in die Liste der unwiderlegbar gefährlichen Rassen aufgenommen worden sei. Davor habe die Möglichkeit bestanden, die Gefährlichkeitsvermutung durch einen bestandenen Wesenstest zu widerlegen, so dass nach wie vor nahezu alle in Hamburg gehaltenen Bullterrier von der Leinen-und Maulkorbpflicht befreit sind. Die hohe Quote der Beißvorfälle (9,7 Prozent) belege, dass eine Reglementierung dieser Rasse erforderlich und die Aufnahme in die Kategorie der unwiderlegbar gefährlichen Hunde daher gerechtfertigt sei. Im Vergleich zu den unwiderlegbar gefährlichen Hunden sei der prozentuale Anteil der Beißvorfälle bei Weimaranern deutlich geringer. Bei Weimaranern handele es sich um Jagdgebrauchshunde, die entgegen der in § 2 Absatz 3 gelisteten Rassen nicht zu den molossoiden Rassen gehörten, da sie weder deren massigen Körperbau noch deren mächtigen Kopf besäßen. Bei der Evaluierung und erneuten Verabschiedung des Hamburger Hundegesetzes im Dezember letzten Jahres folgten alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien der Einschätzung des Senates. Allein die Linke enthielt sich der Stimme.

Bei der Abstimmung ignorierten alle Parteien das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 16. März 2004. Darin heißt es: „…Der Gesetzgeber ist allerdings auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz gehalten, die weitere Entwicklung zu beobachten. Dabei geht es hier in erster Linie darum, ob die unterschiedliche Behandlung derer, deren Hunde unter § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG fallen und derjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, auch in der Zukunft gerechtfertigt ist. Sollte sich bei der Beobachtung und Überprüfung des Beißverhaltens von Hunden ergeben, dass Hunde anderer als der in dieser Vorschrift genannten Rassen im Verhältnis zu ihrer Population bei Beißvorfällen vergleichbar häufig auffällig sind wie Hunde, auf die § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG bisher beschränkt ist, könnte die angegriffene Regelung in ihrer gegenwärtigen Fassung nicht länger aufrechterhalten werden. Sie wäre vielmehr aufzuheben oder auf bisher nicht erfasste Rassen zu erstrecken.“  Im Klartext heißt das, der Gesetzgeber hätte den Weimaraner zumindest in die Liste der widerlegbar gefährlichen Hunde aufnehmen und den Bullterier umgehend von der Liste der unwiderlegbar gefährlichen Hunde streichen müssen. Gleiches gilt für den Staffordshire Bullterrier und andere Molosserrassen, die den Statistiken zufolge seit 2004 in keinen Beißvorfall verwickelt waren.

Die Hessische Landesregierung hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes dagegen ernst genommen und zumindest Mastino Napoletano und Mastiff bei der Evaluierung des Hessischen Hundegesetzes von der Liste gestrichen.

Kommentar:

An dieser Stelle soll nicht etwa der Verdacht aufkommen, die Hunde-Lobby befürworte eine Listung des Weimaraners. Kein Hund ist aufgrund seiner Rasse gefährlich. Kein Hund darf allein aufgrund seiner Rasse in seinem arttypischen Verhalten eingeschränkt werden. Verantwortlich für Beißvorfälle ist in aller Regel der Mensch. Deshalb ist die Hundepolitik der Hansestadt aus Sicht der Hunde-Lobby verfehlt. Ein Sachkundenachweis – möglichst vor Anschaffung eines Hundes – würde nicht nur die Vermeidung von Zwischenfällen mit Hunden nachhaltig sichern, sie wäre auch im Interesse des Tierschutzes die sinnvollere Regelung gewesen.

Bei heutiger Gesetzeslage kann sich jeder beispielsweise einen Jagdgebrauchshund anschaffen und dann wundert man sich, wenn so schöne Hunde wie der Weimaraner von so manchem Halter lediglich als passendes Accessoire gehalten wird. Halter, die den natürlichen Bedürfnissen ihres Hundes nicht gerecht werden können oder wollen, tragen die volle Verantwortung dafür, dass ihre Vierbeiner durch aggressives Verhalten auffällig werden. Und am Ende trägt wieder die Mehrheit der verantwortungsbewussten Hundehalter die Konsequenzen.

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